Wilhem Maucher

Der „Vorgebirgsrebell“ (1903-1993)

Mit den Gebotssteinen, die Wilhelm Maucher im Jahre 1978 auf seinem Grundstück verlegen ließ und die den „Friedensweg“ markieren, fasste er die gesamte Erfahrung seines Lebens zusammen. Als „den rebellischen Geist vom Vorgebirge“, bezeichnete er sich in seinen Lebenserinnerungen selbst, und ein Rebell war er tatsächlich in mancher Hinsicht, lag er mit seinen Auffassungen und seiner Lebensweise doch stets quer zu dem, was zu seiner Zeit am Vorgebirge üblich war.

Wilhelm Maucher

Wilhelm Maucher

Geboren in Alfter als Sohn eines aus der Gegend von Ulm eingewanderten Gärtners, führte der unverheiratet bleibende Maucher bis zu seinem Tod sein Leben in einem an der Grenze zum Roisdorfer Oberdorf gelegenen kleinen Haus. Aus christlicher Überzeugung heraus lehnte der junge Landwirt den Nationalsozialismus ab und ging nach seinen Möglichkeiten dagegen vor, etwa indem er gemeinsam mit einem Kaplan und einem französischen Kriegsgefangenen gegen die Nazis gerichtete Plakate druckte und sie im ganzen Vorgebirge verteilte – eine lebensgefährliche Angelegenheit. An mangelndem Mut lag es also gewiss nicht, dass er, als er noch gegen Kriegsende den Gestellungsbefehl erhielt, diesem nicht nachkam, sondern er die letzten Wochen bis zum Einmarsch der Amerikaner in dem Versteck blieb, das ihm eine ebenso couragierte Roisdorfer Familie bot.

Aber nicht nur gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern, sondern auch gegenüber den Besatzungsmächten und den Behörden der jungen Bundesrepublik war Maucher, wenn es um den Kampf gegen Ungerechtigkeiten ging, widersetzlich: So gründete er zur Verbesserung der desolaten Lage der Landwirte seiner Heimat bald den „Notabwehrausschuss der Obst- und Gemüsebauern des Vorgebirges“. Er scheute sich nicht Kardinal Frings darum zu bitten, eine Aussprache mit Wirtschaftsminister Prof. Ludwig Erhard zu vermitteln. Tatsächlich konnten auf diese Weise Regelungen gefunden werden, welche die Stabilität der Erzeugerpreise für die Region sicherten. Damals kam die Bezeichnung „Vorgebirgsrebell“ auf, die Maucher nicht ungern hörte.

Minister Erhard soll ihn nach eigenen Angaben auf die Idee gebracht haben, den Überschuss an Brombeeren zu Wein zu verarbeiten. Die Produktion im Hof Mauchers lief an und bald war auch der Name für den Brombeerwein gefunden, der bis heute produziert wird und sich nicht nur regional großer Beliebtheit erfreut: das legendäre „Rebellenblut“. Dessen erfolgreiche Vermarktung sicherte Maucher bis zuletzt einen gewissen Wohlstand.
Bei aller Rebellion war Maucher doch auch ein Mensch, der sich für traditionelle Werte einsetzte. Als vom Mandolinenclub gekürter Roisdorfer Maikönig fungierte er im Jahre 1936. Als Beispiel seines Einsatzes für die dörfliche Jugendarbeit und das heimatliche Brauchtum kann das „Rosenfest“ gelten, das er im Jahre 1949 organisierte: Ein festlich geschmücktes Rosenkönigspaar zog damals in offener Kutsche und von Reitern und Fahnenabordnungen begleitet von Alfter nach Roisdorf. Die Jugend beider Orte wollte Maucher auf diese Weise zusammenführen. Als Vorsitzender des Roisdorfer Tischtennisclubs sorgte er maßgeblich für den Bau von dessen Clubhaus.

Engagierte sich Maucher politisch zunächst bei der neu gegründeten CDU, so führte seine radikalpazifistische Grundeinstellung dazu, dass er aus Protest gegen Wiederbewaffnung und Einführung der Wehrpflicht – nachdem energische Schreiben an die Abgeordneten des Bundestags nichts fruchteten – seine Partei wieder verließ. 1956 unternahm er, vom bundesdeutschen Staatsschutz beäugt, eine dem Zweck des Friedens und Völkerverständigung dienende Reise in die Sowjetunion und die DDR, ohne dass er deswegen als besonderer Freund des kommunistischen Systems gelten konnte.

Politischen Lagern ließ sich Maucher ohnehin kaum zuordnen, späte Verbindungen zur Partei „Die Grünen“ sollten ebenfalls konfliktgeladen und nicht von Dauer sein. Sein energischer Einsatz galt bereits seit den 1950er Jahren der Strafrechtsreform, vor allem Abschaffung von ihm als menschenfeindlich eingeschätzten Paragraphen 175, 216 und 218 des Strafgesetzbuchs.

Denkmal des unbekannten Deserteurs

Mauchers lebenslanger Kampf gegen Krieg und Militarismus kam noch in den späten Jahren dadurch zum Ausdruck, dass er 1989 im Rahmen des „Bonner Friedensplenums“ das vom Bildhauer Mehmet Aksoy aus weißen Carrara-Blöcken geschaffene, seinerzeit heftig umstrittene „Denkmal des unbekannten Deserteurs“ stiftete. Nachdem es nicht auf dem Bonner Friedensplatz aufgestellt werden durfte und es eine Zeitlang im Park der Parteizentrale der „Grünen“, des Roisdorfer Hauses Wittgenstein, lagerte, erhielt es seinen endgütigen Standort auf dem „Platz der Einheit“ zu Potsdam.

vor: Christusstatue